Aufwertung von Trockenwiesen im Engadin
Realisiert:
2021
ausgeführt von:
Naturnetz Graubünden
Mit sechs Zivis und einem Einsatzleiter verbrachten wir eine Woche im schönen Unterengadin. Während vier von fünf Tagen arbeiteten wir in einem steilen Südhang zwischen Ardez und Ftan für Pro Terra Engiadina. Es ist ein wunderbarer Trockenrasen von nationaler Bedeutung und die Vielfalt an Pflanzen und Insekten fällt sofort auf. Selten haben wir eine solch artenreiche Wiese von dieser Grösse gesehen. Ziel der Woche war es, einen Teil der Fläche von den sich ausbreitenden Sträuchern und Bäumen zu befreien. Diese Arbeit hätten wir locker auf einen ganzen Monat verlängern können und wären auch dann nicht fertig geworden. Das Problem der Verbuschung wertvoller Graslandschaften besteht überall. Gerade das Unterengadin ist besonders reich an diesen bedrohten Perlen. Die Bewirtschaftung, welche diese Kulturlandschaften während Jahrhunderten entstehen liess, hat sich verändert. Mähwiesen wurden zu Weiden, und immer weniger Tiere beweiden diese Flächen. Gerade Geissen, welche die Sträucher am besten im Schach halten, gibt es im Vergleich zu früher viel weniger. Durch die Mechanisierung der Landwirtschaft arbeiten auf Landwirtschaftsbetrieben immer weniger Personen, so dass handarbeitsintensive Arbeiten wie Weidepflege zu kurz kommen.
Diese langfristige Entwicklung zu kennen, ist wichtig für unsere Arbeit. In der Momentaufnahme bilden die Strauchgruppen und gestuften Ränder zum Wald hin nämlich schöne und auch ökologisch sinnvolle Strukturen. Doch es ist eben zu viel des Guten und in rasantem Vormarsch. Die Vielfalt der Gehölzarten, welche wir schneiden, entspricht in etwa dem Sortiment einer Traumhecke, wie wir sie an anderen Orten neu anlegen. So fallen unter unseren Kettensägen prächtige Exemplare von Kreuz-, Weiss-, Schwarz- und Sanddorn, Liguster, Berberitzen, verschiedene Wildrosen, Vogelbeeren, Felsenbirnen und Wachholder, kleine Fichten, Föhren und Birken. Gezielt lassen wir zum Trost einzelne Felsenbirnen oder Kreuzdorne stehen, welche wir eher selten antreffen. Wir konnten während der Arbeit gut sehen, wie die Vielfalt an krautigen Pflanzen unter den Sträuchern kleiner ist als auf den offenen Flächen und erkennen so den Effekt unseres Eingriffs. Profiteure sind Sonnenröschen, Steinquendel, Zypressenwolfsmilch, echtes Labkraut, Flockenblumen und sicherlich auch einige seltenere Arten.
Für etwas Abwechslung sorgt der Mittwoch mit einem Goldruteneinsatz bei einer Aushubdeponie am Inn. Weil hier relativ früh eingegriffen wurde, war der Bestand überschaubar und in einem Tag konnten wir den Grossteil der Goldruten mitsamt Wurzeln entfernen. Lediglich ein Teilgebiet von etwa 50 Quadratmeter mussten wir aus Zeitgründen mähen.
Wir genossen das schöne Wetter, die enorme Vielfalt an Pflanzen und Blumen und die Idylle des Unterengadins. Regelmässige Botanik-Einlagen halfen der Motivation während der strengen Arbeit. An einem schönen Feierabend gingen wir auf einen Spaziergang durch Lärchenwälder und eine malerische Moorlandschaft bei Tarasp. Ein anderes Mal gab es einen Ausflug ins Thermalbad mit Sauna. Die Unterkunft war ein charmantes Engadiner Haus im Dorfkern von Scuol mit schöner Küche und viel Platz. Wir hatten eine super Woche mit guter Stimmung und guten Erfahrungen. Wir wissen aber auch, dass die geschnittenen Sträucher wieder austreiben werden und die Arbeit von neuem beginnt. Das war jedoch schon immer so. Deshalb hoffen wir auf Geissen, die helfen, die geöffneten Flächen offen zu halten. Wir kommen aber auch gerne wieder ;-)